PRESSE

YEAH! Tom Mustoph wählt im Zitty-Jahresrückblick ,Das BiestA' zu einem seiner Highlights!

The Good, the Bad and the Ugly!

Intensiv gespielte Racheorgie // Hamburger Abendblatt // 29. Februar 2016 // Annette Stiekele

Anne Schneider zeigt mit ;Das BiestA' im Lichthof-Theater ein kluges Kammerspiel

 

Wie ein Segel aufgespannt, ragt der Lattenrost von Ausstatterin Giulia Paolucci in den Bühnenraum des Lichthof-Theaters. Die sich darauf bewegen, müssen klettern, stetig um ihr Gleichgewicht ringen, mühsam Arme und Beine balancieren. Ein starkes Bild. Um Haltung ringt auch Sabine Werner als Dienstmädchen Eunice im Haushalt der großbürgerlichen Coverdales. Streng das Kostüm, verschlossenen der Blick. Wicki Kalaitzi gibt ihren Gegenpol wahlweise als Hausherrin, später als deren Stieftochter und auch als Eunices bald einzige Freundin Joan, die zur Komplizin einer monströsen Mordtat wird.

Regisseurin Anne Schneider hat in „Das Biest A“ im Lichthof-Theater klug und sensibel Motive aus dem Roman „Urteil in Stein“ von Ruth Rendell mit Varianten der Verfilmung „Biester“ von Claude Chabrol und eigenen Recherchen verbunden. Denn Eunice ist Analphabetin, fühlt sich dadurch seit jeher von ihren Mitmenschen getrennt.

Was das im Alltag bedeutet, offenbaren von Schneider aufgezeichnete Tondokumente von mühsamen Alltagsbewältigungen bis hin zu falsch unterschriebenen Eheformularen. Glaubhaft leitet Schneider anhand der Montage von Roman und Dokumentiertem die Eskalation her. ...

Beide Darstellerinnen geben den Figuren große Intensität. Mühelos folgt der Zuschauer den unzähligen Rollenwechseln. Auch die Thriller-Atmosphäre kommt nicht zu kurz, wenn beide mit einem alten Kassettenrekorder spielen, zu Industrial-Klängen ins Mikrofon hauchen und singen. Der schweigend mit Wasserfarben hantierende Nikos Kalaitzis ist der stumme Dritte auf der Bühne, Seine großformatigen Tableaus werden am Ende zur Kulisse der – nicht gezeigten – Gewaltorgie. Sehenswert.

 

Die Rache der Schwachen // Neues Deutschland // 14. Oktober 2015 // Tom Mustroph

7,5 Millionen funktionale Analphabeten gibt es derzeit in Deutschland. Wie sie sich, meist voller Beschämung, durchs textlastige Alltagsleben der Einkauflisten und Beipackzettel, der SMS und Twitternachrichten lavieren, schildert Anne Schneiders hoch konzentrierter Theaterabend ,BiestA' im Theater unterm Dach. Dieses Kammerspiel zweier Schauspielerinnen, eines bildenen Künstlers und einer schwebenden Holzkonstruktion malt zugleich aus, welche dramatischen Folgen zu gut gemeinte Hilfeleistung haben kann, wenn die Hilfeleistung die Adressaten beschämt. Daher wird ,BiestA' sogar zu einem ganz aktuellen Stück über die Tücken der Hilfsbereitschaft.

Die Welt von Eunice ist anders. Darauf bereitet schon das phänomenale Bühnenbild (Ausstattung: Giulia Paolucci, gebaut von MBW) vor: eine die gesamte Bühne einnehmende Holzkonstruktion, die wie eine Wolke wirkt, wie ein am Boden liegendes Segel, das durch eine plötzlich hineinfahrende Böe aufgebauscht wird. Auf dieser geschwungenen Fläche, unter ihr, und in den Lücken, die die Verstrebungen lassen, spielt sich das Leben von Eunice ab. Lesen und Schreiben hat sie nicht gelernt. Sie fällt tief in die Schlaglöcher des Alltags, wenn sie Produkte kaufen soll, deren Verpackung sie noch nicht kennt oder wenn sie den richtigen Bahnsteig für einen Zug finden soll. Unsicher ist dann der Untergrund, auf dem sie operiert. Zuweilen muten die Löcher der Holzkonstruktion aber auch an wie Leerstellen, die man sich langläufig im Gehirn vorstellen mag.

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Schneiders Schauspiel- und Rechercheprojekt lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Welt der Entrechtung, Demütigung und Ausbeutung, die auch zur Welt derjenigen gehört, die ins Theater gehen, Dramen und Kritiken lesen und schreiben und sich des analphabetischen Kosmos gar nicht bewusst sind.

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Zuallererst handelt es sich aber um einen sehr starken Theaterabend, mit einem excellenten Bühnenbild und zwei Spielerinnen, die die Seelenzustände ihrer Figuren gut auszuloten wissen.



Präzises Psychodrama über die Folgen des Analphbetismus im reichen Westen // Zitty //

Tom Mustroph

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Nach einer Kriminalstory von Ruth Rendell zeichnet Regisseurin Anne Schneider mit zwei formidablen Schauspielerinnen und einer phänomenalen Bühnenbildskulptur in Form einer hölzernen Wolke das Leben und Überleben funktionaler Analphabeten nach. Diese Leben kann schräge und anarchische Facetten haben, wenn es darum geht, clever den Mangel zu verstecken. Schneider und ihr Ensemble erzählen aber auch von den demütigen Momenten. Derzeit betrifft dies in Deutschland mehr als sieben Millionen Menschen, die ihre Schwäche aus Angst vor Vorurteilen und Diskriminierung verbergen. Eunices Amoklauf öffnet zugleich die Augen dafür, dass selbst gut gemeinte Hilfe auch den Effekt haben kann, die, denen geholfen werden soll, zutiefst zu verletzen. In gewisser Weise bietet sich so der Besuch eienr Auffühurng von ,Das BiestA' zur Sensibilisierung auch allen Deutschkurs-Anbietern für Geflüchtete an.